Es gibt Dinge, die haben Frauen in den Augen der Welt einfach nicht. Eine normale Verdauung, bei der Essen aufgenommen und wieder ausgeschieden wird zum Beispiel. Und der weibliche Körper ist auch immer noch nicht behaart. Darum lässt man Frauen netterweise die Wahl: Jeden Tag mindestens zehn Minuten unter der Dusche stehen und alles abrasieren – von den wenigen Quadratzentimetern unter den Armen bis hin zu den Beinen, manche nehmen die Arme gleich ganz mit. Oder man geht regelmäßig zum Waxing und hat dann täglich etwas mehr Zeit, dafür aber auch mal eben eine halbe Stunde Schmerzen, als würde man am ganzen Körper Pflaster von der schlimmsten Sorte abreißen. Das Ziel bei allen Methoden ist babyglatte Haut. Toll.
Achselhaare oder: ein Drama in zwei Akten
Supermodel Gigi Hadid hat ein Kurzvideo für das Modemagazin „Love“ gedreht. Gigi, übrigens eins der bestgebuchten Models der Welt, hat – so sieht es aus – in diesem Video unrasierte Achseln. Und das Internet hat aufgeschrien. Ungepflegt. Eklig. Pfui. Dass sie beim Kickboxen im Video schwitzt (oder es zumindest danach aussieht), können die Zuschauer ja so gerade noch verkraften. Aber Achselhaare an einer Frau wohl nicht. „Ich fühle mich unwohl beim Blick ihrer Achselhaare“, schreibt jemand bei Instagram.
Noch schlimmer wurde es erst, als das Magazin eine Stellungnahme veröffentlichte, in dem es verlauten ließ, dass es sich hier ja gar nicht um Achselhaare handle, sondern um Fusseln von einem Sweatshirt, das Gigi vorher getragen hatte. Ein unnötiger Styling-Fehler scheint für ein Modemagazin weniger schlimm zu sein als unrasierte Achseln. Wäre das nicht so traurig, weil rückschrittlich, könnte man darüber lachen.
Frauen haben doch keine Körperhaare
Dass nichts anderes als glatte Haut an Frauenkörpern akzeptiert wird, zeigen schon die Werbungen für Rasierer, Wachs und Co. subtil aber deutlich: In diesen Spots rasieren oder waxen Models über glatte Haut. Man zeigt von Anfang bis Ende das vermeintliche Ideal, aber bitte keine Stoppeln, die abrasiert ein irres Muster auf dem Boden der Dusche hinterlassen. Das wäre ja ekelhaft, oder?
Noch in den 70er-Jahren fand man ein paar Haare, die ja streng genommen eher Härchen sind, nicht so schlimm. Warum wurde weibliche Körperbehaarung dann so ein Thema, das Ekel verdient? Wer heute 30 oder jünger ist, ist mit dem Selbstverständnis aus der Werbung aufgewachsen, dass auf dem weiblichen Körper nichts wächst. Dass dieses Bild nicht echt ist, weil erst durch den Rasierer und dann sicherheitshalber noch mal durch Photoshop geglättet, spielt keine Rolle. Man geht davon aus, dass das eigene ästhetische Empfinden spricht, wenn man nach der gleichen glatten Haut strebt. Man kauft mit der ersten Periode nicht nur Tampons, sondern auch den Rasierer dazu.
Ironisch ist, dass die vermeintlich ekligen Körperhaare ursprünglich eine hygienische Funktion haben. Die schlaue Idee der Natur: Sie sollen vor UV-Strahlen, Schmutz und Bakterien schützen. Noch schlauer war aber vielleicht die Beauty-Industrie: Irgendwann hat die uns nämlich erfolgreich beigebracht, dass sämtliche Cremes uns doch schützen können, wir also diese Körperhaare gar nicht brauchen – und gleich die passenden Produkte mitgeliefert, um sie loszuwerden. Und die passenden Produkte um die Hautreizungen, die durch die Haarentfernung entstehen können, auch noch zu lindern, findet man da auch.
Welche Körperhaare sind die schlimmsten?
Müsste man ein Ranking erstellen, sind die am meisten geächteten Körperhaare im Schambereich. Beweis: Wenn die amerikanische Modebloggerin Leandra Medine ein Bild von ihren stoppeligen Unterschenkeln postet bekommt sie darauf blöde Kommentare wie „du könntest dir aber mal die Beine rasieren.“ Wenn Frauen sich in Unterhosen fotografieren, bei denen an den Seiten Schamhaare rausgucken, finden soziale Netzwerke wie Instagram das anstößig. Und selbst wenn die Bilder nach zahlreichen Protestaktionen zumindest nicht mehr wie ein paar fotografierte (Frauen-)Nippel gelöscht werden, sind die social User noch immer unglaublich schockiert. Und offenkundig angeekelter als bei oben erwähnten unrasierten Achseln von Gigi. Meistens sind die widerlichsten Kommentare von Frauen.
Natürlich sind solche Bilder auch bewusst provokativ, weil sie Schamhaare deutlich inszenieren und fokussieren. Das ist aber genau richtig. Denn man muss vielleicht das Auge erst mal ordentlich reizen, bis wir uns endlich wegen unrasierter Körperstellen im Alltag entspannen können. Und bis uns ein paar Stoppeln am Bein nicht gleich in eine Sinnkrise stürzen, weil wir fürchten, dass sie uns hässlicher machen. Oder dass wir nicht mehr so schön streichelbar für Männer sind, die ihre Hand lieber über glatte Haut fahren.
Apropos: Warum findet man unrasierte Männerhaut, die deutlich behaarter ist als die von Frauen, eigentlich schon wieder weniger eklig? Vermutlich ist diese Geschlechterungleichheit hier schon wieder ein anderes Thema, aber auch: Ein weiterer guter Grund, sich als Frau endlich für mehr Entspannung bei der eigenen Körperbehaarung zu entscheiden.