Stress statt Erholung: Studie zeigt fehlende Distanz zur Arbeit im Urlaub

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Im Urlaub abzuschalten, ist für viele Menschen eine Herausforderung. Viele Arbeitnehmende schaffen es nicht, sich in der Freizeit von ihrem Job zu erholen.

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch gewandelt. Mit dem Aufkommen digitaler Technologien ist es theoretisch möglich geworden, von überall und zu jeder Zeit zu arbeiten. Doch hat diese Flexibilität auch ihre Schattenseiten? Eine aktuelle Studie im Auftrag der Krankenkasse Pronova BKK wirft ein beunruhigendes Licht auf das, was eigentlich eine Zeit der Erholung sein sollte: den Urlaub. Die Ergebnisse legen offen, dass für viele Berufstätige der Urlaub alles andere als eine Auszeit darstellt.



Schwierigkeiten, im Urlaub abzuschalten

Die Daten, die aus einer repräsentativen Umfrage stammen, zeigen ein besorgniserregendes Bild: Ein Viertel der Befragten gibt an, aus ihrem Haupturlaub wenig ausgeruht zurückzukehren. Weitere 19 Prozent fühlen sich nur mäßig erholt. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber ein zentrales Problem scheint die Unfähigkeit, sich tatsächlich vom Job zu distanzieren, zu sein. Etwa 60 Prozent der Teilnehmenden berichten, dass ihr Urlaub ihnen mehr Stress als Entspannung bringt. Die Ursachen sind unter anderem die Notwendigkeit, vor der Abwesenheit mehr Arbeit zu leisten, um alles zu organisieren, sowie die Last, nach der Rückkehr unerledigte Aufgaben aufzuholen.

Die Befragten gaben an, im Schnitt jeweils acht Überstunden sowohl vor als auch nach dem Urlaub zu leisten, um ihre Abwesenheit vorzubereiten beziehungsweise die Folgen zu bewältigen. Diese Zahlen deuten auf eine tief verwurzelte Problemstellung hin: dass nämlich die Arbeit so sehr in den Mittelpunkt des Lebens gerückt ist, dass selbst vermeintliche Ruhephasen von ihr überschattet werden.

Erreichbarkeit auch in der Freizeit

Ein weiterer Aspekt, der zur fehlenden Erholung beiträgt, ist die ständige Erreichbarkeit. Obwohl sich knapp die Hälfte der Befragten mindestens 15 Tage am Stück frei nimmt, wird zwei Dritteln von ihnen in dieser Zeit nicht die vollständige Auszeit gewährt. Sie werden in beruflichem Zusammenhang kontaktiert. Dieser ständige Zugriff auf die Arbeitnehmer trägt kaum dazu bei, eine dringend benötigte Distanz zur Arbeit zu gewinnen. Rund die Hälfte der Befragten gibt sogar an, regelmäßig ihre Mails zu checken, was die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit weiter verschwimmt lässt.

Besonders frappierend ist, dass laut Studie für 62 Prozent der Befragten die Erholung früher als geplant endet. Schon ein bis zwei Tage vor dem offiziellen Arbeitsbeginn sind viele gedanklich wieder bei der Arbeit. Das Phänomen, dass sich besonders viele Führungskräfte nicht die volle Auszeit gönnen, um vermeintlichem Chaos bei ihrer Rückkehr vorzubeugen, ist ebenfalls ein Zeugnis der fehlenden Trennschärfe zwischen Berufs- und Privatleben. Drei Viertel der Führungskräfte schalten demnach vorzeitig wieder in den Arbeitsmodus.

Kontakte zum Beruflichen während der freien Zeit

Das durch die Studie aufgezeigte Bild ist beunruhigend und fordert zum Umdenken auf. Es zeigt, dass der Versuch, Arbeit und Freizeit in Balance zu halten, für viele eine Sisyphusaufgabe darstellt. Die ständige Erreichbarkeit und die Unfähigkeit, sich mental von der Arbeit zu lösen, sind Indikatoren einer Arbeitskultur, die nachhaltig nicht nur die physische, sondern auch die psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden bedroht.

In einer Zeit, in der Themen wie Burnout und Work-Life-Balance immer mehr in den Fokus rücken, offenbart diese Studie die Dringlichkeit, Strukturen zu überdenken und gesunde Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem zu etablieren. Das Ideal eines erfüllten Lebens, in dem Arbeit zwar einen bedeutenden, aber nicht übermäßigen Platz einnimmt, scheint für viele noch in weiter Ferne. Es bleibt zu hoffen, dass Studien wie diese sowohl bei Arbeitgebenden als auch bei Arbeitnehmenden ein Umdenken anstoßen und zu konkreten Veränderungen führen, die es ermöglichen, dass Urlaub wieder das wird, was er sein sollte: eine Zeit der Erholung und Entspannung fernab von beruflichen Verpflichtungen.

Die Problematik…

der fehlenden Distanz zur Arbeit im Urlaub steht nicht isoliert dar, sondern ist Teil eines größeren Trends, der die Arbeitswelt erfassen scheint. Die Verbreitung mobiler Endgeräte und die nahezu grenzenlose Verfügbarkeit des Internets haben dazu beigetragen, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit zunehmend verschwimmen. Zwar bieten diese Technologien die Möglichkeit zu einer flexibleren Gestaltung des Arbeitslebens, sie tragen aber auch dazu bei, dass viele Menschen sich emotional und gedanklich nicht mehr von ihrer Arbeit lösen können.

Dieses Phänomen wird durch eine Kultur verstärkt, in der ständige Erreichbarkeit oft als Zeichen von Arbeitsmoral und Engagement interpretiert wird. Dabei wird häufig unterschätzt, wie wichtig Phasen der Nichterreichbarkeit und des geistigen Abschaltens für die psychische Gesundheit und die langfristige Arbeitsleistung sind. Forschungsergebnisse aus der Arbeitspsychologie verdeutlichen, dass Erholungsphasen essentiell sind, um Burnout vorzubeugen und Kreativität sowie Produktivität zu fördern. Die aktuellen Erkenntnisse zur fehlenden Distanzierung von der Arbeit während des Urlaubs unterstreichen somit die Notwendigkeit, neue Strategien zur Wahrung des Gleichgewichts zwischen Arbeit und Freizeit zu entwickeln.

Warum ist es wichtig, im Urlaub Abstand von der Arbeit zu gewinnen?

Es ist von zentraler Bedeutung, im Urlaub Abstand von der Arbeit zu gewinnen, um psychische und physische Gesundheit zu bewahren. Erholungsphasen erlauben dem Körper und Geist, sich von den täglichen Anforderungen und dem Stress des Arbeitsalltags zu regenerieren. Ohne ausreichende Distanzierung besteht die Gefahr eines Burnouts, da der ständige Druck und Stress ohne Unterbrechung aufrechterhalten werden. Dies kann langfristig nicht nur die Arbeitsleistung, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität beeinträchtigen. Darüber hinaus fördern echte Erholungsphasen die Kreativität und die Problemlösefähigkeit, indem sie dem Gehirn die Möglichkeit geben, Informationen zu verarbeiten und sich neu zu organisieren.

Wie können Arbeitnehmende dafür sorgen, im Urlaub besser abzuschalten?

Arbeitnehmende können verschiedene Strategien anwenden, um im Urlaub besser abzuschalten. Zunächst ist es hilfreich, klare Grenzen zu setzen und das berufliche Umfeld sowie die Kollegen darüber zu informieren, dass man während des Urlaubs nicht zur Verfügung steht. Dies beinhaltet auch, automatische Abwesenheitsnachrichten für Emails einzurichten und im Idealfall geschäftliche Kommunikationsmittel wie Diensthandys oder Laptops nicht zu nutzen. Des Weiteren kann das bewusste Planen von Aktivitäten, die vollständige Aufmerksamkeit erfordern und persönlich bereichernd sind, helfen, gedanklich Abstand von der Arbeit zu gewinnen. Eine wichtige Rolle spielt auch die mentale Einstellung: sich bewusst zu machen, dass diese Zeit der Erholung essentiell für die eigene Gesundheit und Effektivität bei der Arbeit ist. Letztlich kann es förderlich sein, Routinen zu etablieren, die den Übergang zurück in den Arbeitsalltag erleichtern, ohne dass der Erholungseffekt sofort verpufft.

Was können Arbeitgeber tun, um die Erholung ihrer Mitarbeiter im Urlaub zu unterstützen?

Arbeitgeber spielen eine zentrale Rolle dabei, die Erholung ihrer Mitarbeiter im Urlaub zu unterstützen. Sie können eine Unternehmenskultur fördern, die die Bedeutung von Urlaub und Erholungszeiten anerkennt und wertschätzt. Dies beinhaltet, klare Richtlinien bezüglich der Erreichbarkeit während des Urlaubs zu etablieren und zu kommunizieren, dass von Mitarbeitern nicht erwartet wird, in ihrer freien Zeit zu arbeiten oder ständig erreichbar zu sein. Zudem können Vorgesetzte mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie selbst im Urlaub die Arbeit ruhen lassen und die Bedeutung von Erholungsphasen vorleben. Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Zeit- und Selbstmanagement können Mitarbeitern helfen, ihre Arbeit so zu organisieren, dass vor dem Urlaub keine übermäßigen Überstunden anfallen und die Rückkehr in den Berufsalltag erleichtert wird. Regelmäßige Gespräche über Arbeitsbelastung und mögliche Unterstützungsangebote können zudem dazu beitragen, Stressfaktoren frühzeitig zu erkennen und anzugehen.


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