Das nervt im Alltag!

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Wer kennt das nicht? Du sitzt in der Ruhezone eines Zugs, genießt die Landschaft und plötzlich breitet sich ein beißender Geruch aus.



Umgang mit den Nervenproben im Alltag

Wer kennt das nicht? Du sitzt in der Ruhezone eines Zugs, genießt die Landschaft und plötzlich breitet sich ein beißender Geruch aus. Dein Sitznachbar hat einen Burger ausgepackt. Oder noch schlimmer: Er telefoniert lautstark, sodass du jedes Detail seines Gesprächs unfreiwillig mitbekommst. Solche Situationen sind in unserem hektischen Alltag prägend. Zwischen lauten Telefonaten und rücksichtslosen Mitfahrern fragt man sich oft: Warum fehlt manchen Menschen die Empathie, um Rücksicht auf ihre Mitmenschen zu nehmen?

Lukas Klaschinski, ein Psychologe, erklärt, dass derartige Verhaltensweisen oft weniger absichtlich sind, als wir meinen. Menschen, die laut telefonieren oder sich vordrängeln, tun dies meist nicht, um andere zu ärgern, sondern weil sie dafür schlichtweg kein Bewusstsein haben. Der psychologische Mechanismus, der bei uns ausgelöst wird, wenn wir diese Rücksichtslosigkeit erleben, ist tief in uns verwurzelt. Es ist der Urinstinkt, der uns warnend zuruft: „Halt, Stopp, das ist nicht akzeptabel!“

Psychologische Hintergründe und Mechanismen

Der Unmut, den wir verspüren, wenn jemand zum Beispiel im Supermarkt die Warteschlange ignoriert und sich vor uns drängelt, hat also weniger mit persönlichem Angriff zu tun, sondern vielmehr mit einem unbewussten Verhalten. Laut Klaschinski fühlen wir uns in diesen Momenten übergangen und nicht wahrgenommen, was das Gefühl des Ärgers auslöst. Unsere Gedanken kreisen um die Frage, warum diese Person nicht sieht, dass hier gesellschaftliche Normen gebrochen werden.

Psychologen wie Klaschinski sehen darin eine Art Unbewusstheit oder fehlende Aufmerksamkeit, die viele Menschen im Alltag an den Tag legen. Es mangelt oft an Empathie und am Verständnis dafür, dass das eigene Verhalten anderen Unbehagen bereiten kann. Diese Einsicht könnte beim nächsten Mal hilfreich sein, wenn dir jemand mit einem solch nervigen Verhalten begegnet.

Ein weiteres Beispiel liefert der Berliner Gerd, der die Erfahrung teilt, wie alltägliche Situationen in ihm solche Unmutsgefühle aufkommen lassen können. Es ist nicht selten, dass sich ein kleiner Ärger ansammelt und irgendwann ein harmloser Vorfall zum Tropfen wird, der das Fass zum Überlaufen bringt. Solche Gefühlsstaus sind ein natürlicher Prozess und können durch Begegnungen wie ein nervenzerrendes Telefonat im Zug verstärkt werden.

Nervtöter oder einfach nur gedankenlos?

Welche Motivation steckt hinter dem Verhalten scheinbar rücksichtsloser Menschen? Während einige meinen, dass es ein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit sei, fehlt es den anderen schlicht an Empathie. Klaschinski veranschaulicht, dass viele der Störfaktoren nicht gegen uns persönlich gerichtet sind. Menschen leben mit sich selbst und ihren Gewohnheiten 24 Stunden am Tag und empfinden ihr Verhalten nicht als störend.

Dennoch bleibt die Frage, wie man auf diese Situationen reagiert, ohne selbst in Frustration zu versinken. Ein möglicher Umgang wäre, sich das Bewusstsein zu schaffen, dass wir den Ärger oft aus unbewussten Reaktionen heraus erleben. Diese Erkenntnis hilft, einmal tief durchzuatmen, bevor man die Situation eskalieren lässt. So könnte das Bewusstmachen dieser Tatsache vielleicht beim nächsten Mal helfen, wenn der Sitznachbar im Abteil wieder sein geruchsintensives Menü auspackt.

Es ist faszinierend, wie alltägliche Kleinigkeiten unsere Laune beeinflussen können. Doch es liegt in unserer Hand, wie wir darauf reagieren. In manchen Fällen hilft es auch, sich in die Perspektive des anderen zu versetzen und zu akzeptieren, dass nicht jeder in jedem Moment empathisch und rücksichtsvoll agiert. Und während das Frühstücksfernsehen bei den meisten gute Laune fördern soll, gibt es immer wieder Momente und Begegnungen im Alltag, die das Gegenteil bewirken.

In einer immer hektischer werdenden Welt ist es vielleicht die größte Herausforderung, unseren alltäglichen Stress nicht an mitzunehmen, sondern ihn bewusst zu managen. Jeder von uns wird von kleinstem Ärger heimgesucht, ob es störenfriede in der Warteschlange oder der laute Nachbar im Zug ist. Am Ende sind es jedoch die kleinen Aktivitäten und unser Verständnis dafür, wie wir sie wahrnehmen, die den Unterschied ausmachen.

Warum uns Alltagsverhalten so sehr nervt: Die Rolle von Sozialnormen

Um zu verstehen, warum bestimmte Verhaltensweisen im Alltag andere Menschen so stark nerven können, werfen wir einen Blick auf die Bedeutung von Sozialnormen und deren Wirkung auf unser tägliches Leben. Sozialnormen sind ungeschriebene Regeln, die das soziale Verhalten in einer Gesellschaft beeinflussen und Erwartungen darüber kommunizieren, wie man sich in bestimmten Situationen zu verhalten hat. Sie werden durch kulturelle Werte und die sozialen Erfahrungen eines Individuums geprägt.

In einer dicht besiedelten Umgebung wie Zügen oder öffentlichen Verkehrsmitteln sind diese Normen besonders wichtig, um ein harmonisches Miteinander zu gewährleisten. Beispielsweise wird erwartet, dass man leise spricht, um andere nicht zu stören, oder dass man in der Schlange wartet, bis man an der Reihe ist. Wird gegen diese ungeschriebenen Regeln verstoßen, entsteht Unbehagen oder Ärger bei denjenigen, die sich an die Erwartungen halten.

Ein weiteres Konzept, das hierbei eine Rolle spielt, ist die sogenannte „ironische Prozess-Theorie“ von Psychologe Daniel Wegner. Diese Theorie besagt, dass wenn Menschen versuchen, bestimmte unangenehme Gedanken oder Erlebnisse zu vermeiden, diese oft unverhältnismäßig in den Vordergrund des Bewusstseins rücken. So könnte das unangenehme Telefonat im Zug oder das unangenehme Verhaltens ihrer Mitmenschen besonders stark wahrgenommen werden, wenn man sich bewusst bemüht, solchen Situationen aus dem Weg zu gehen.

Das Bewusstsein für solche psychologischen Mechanismen kann dabei helfen, die eigene Reaktion auf nervtötende Verhaltensweisen besser zu kontrollieren und gesellschaftliche Interaktionen souveräner zu bewältigen. Indem man Verständnis für die Hintergründe und Beweggründe anderer aufbringt, kann man möglicherweise weniger gestresst und gelassener durch den Alltag gehen.

Warum stören uns laute Telefonate in öffentlichen Verkehrsmitteln so sehr?

Laute Telefonate in öffentlichen Verkehrsmitteln stören uns, weil sie eine Form der Verletzung von Sozialnormen darstellen, die für den öffentlichen Raum gelten. Diese Normen sollen sicherstellen, dass in geteilten Räumen ein Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme und Ruhe bewahrt wird. Wenn jemand laut spricht, zieht er ungewollt die Aufmerksamkeit auf sich und lässt den Rest der Fahrgäste unfreiwillig teilhaben. Häufig empfinden wir dies als unangenehm, da es unsere persönliche Ruhe stört und uns daran hindert, unseren eigenen Gedanken nachzugehen oder in Ruhe zu lesen beziehungsweise Musik zu hören.

Warum sind wir so genervt, wenn sich jemand in der Warteschlange vordrängelt?

Das Vordrängeln in Warteschlangen verletzt das Gerechtigkeitsempfinden, das in sozialen Interaktionen tief verwurzelt ist. Warteschlangen basieren auf einem fairen, allgemein akzeptierten Prinzip: wer zuerst kommt, wird zuerst bedient. Wird dieses Prinzip verletzt, entsteht das Gefühl, unfair behandelt zu werden oder ignoriert zu werden, was emotional als Frustration oder Ärger wahrgenommen wird. Der Verstoß gegen die ungeschriebene Regel der Reihenfolge wird als Respektlosigkeit gegenüber den anderen Wartenden empfunden.

Wie kann ich gelassener auf rücksichtsloses Verhalten im Alltag reagieren?

Um gelassener auf rücksichtsloses Verhalten im Alltag zu reagieren, hilft es, ein gewisses Maß an Empathie und Verständnis zu entwickeln. Häufig ist das störende Verhalten nicht persönlich gegen einen selbst gerichtet, sondern resultiert aus einem Mangel an Bewusstsein für die Umgebung. Sich darauf zu konzentrieren, dass der andere dies nicht mit Absicht tut, kann helfen, den eigenen Ärger zu verringern. Ein anderer Ansatz besteht darin, sich bewusst zu machen, dass der Stress durch solche Situationen oft überbewertet wird. Ein kurzer Moment der Achtsamkeit oder eine tiefe Atemübung können ebenfalls dazu beitragen, ruhiger zu bleiben.


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