Mutterschaft und Feminismus: Ein Widerspruch?

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Widersprechen sich Mutterschaft und Feminismus?

Mutter mit Baby und Strong-Pose.

Ich habe immer mein eigenes Geld verdient und mir einen gewissen Lebensstandard erarbeitet. Mit 24 Jahren habe ich mein Studium in London abgeschlossen, anschließend war ich in einer Unternehmensberatung in Australien und später in einem Großkonzern in meiner Heimatstadt tätig, den ich vor zwei Jahren für eine neue Herausforderung in einem Startup verlassen habe.

Entsprechend emanzipiert und ehrgeizig bin ich vor etwas über einem Jahr in die Mutterschaft gestartet: Drei Tage nach der Geburt saß ich wieder am Laptop und habe Arbeits-Emails beantwortet, vier Monate später war ich das erste Mal drei Nächte ohne Baby auf einer Messe und nach einem halben Jahr bin ich wieder in den Job eingestiegen. Mein Mann hatte Elternzeit genommen und sich um die Kita-Eingewöhnung gekümmert. Das war für uns ganz normal.



Wie konnten wir so schnell zurück in eine klassische Rollenverteilung katapultiert werden?

Mittlerweile, knapp eineinhalb Jahre nach der Geburt unseres Sohnes, arbeite ich „nur“ noch 20 Stunden pro Woche und übernehme überwiegend den Haushalt und die Kinderbetreuung, während mein Mann als Hauptverdiener in Vollzeit Karriere macht. Vor ein paar Monaten hatten wir uns ganz bewusst entschieden die Rollen neu zu verteilen. Meinem Mann bot sich eine berufliche Chance, der ich nicht im Wege stehen wollte. Entsprechend hatte unsere Entscheidung erstmal nichts mit Stereotypen, Rollenbildern oder Gesellschaftsstrukturen zu tun. Und zugegeben, die eher traditionelle Aufgabenverteilung funktioniert für uns sehr gut. Ich würde fast behaupten, besser als davor.

Warum wird mein Mann als Super-Dad gefeiert und ich zur Rabenmutter degradiert?

Als ich noch in Vollzeit arbeitete, hatte ich oft das Gefühl es niemandem recht machen zu können. Weder meinem Sohn, meinem Mann noch mir selbst – und vor allem nicht der Gesellschaft. Während mein Mann für seine Elternzeit gefeiert wurde, galt ich als egoistische Rabenmutter, die ihre berufliche Selbstverwirklichung über das Wohl ihres Kindes stellt. Eine Kritik, der sich wohl kaum ein berufstätiger Vater stellen muss.

Auch an anderen Stellen habe ich oft den Eindruck, es würde mit zweierlei Maß gemessen werden: Bringt mein Mann unseren Sohn im Winter ohne Handschuhe zur Kita, lässt man das dem ach so engagierten Vater mit einem Augenzwinkern durchgehen. Ist ja überhaupt schon eine Leistung, dass sich der Vater um den Nachwuchs kümmert. Von einer Mutter hingegen wird ein zu jederzeit adäquat bekleidetes Kind erwartet. Alles andere gilt als inakzeptabel und wird, leider vorwiegend von Frauen bzw. von anderen Müttern, abgestraft.

Ist die Entscheidung gegen eine Karriere ein Verrat an die Emanzipation?

Hat eine Mutter einen Entschluss zugunsten der Familie und gegen die Karriere gefasst, heißt es schnell: „Wofür hast du studiert, wenn du dich jetzt freiwillig hinter den Herd stellst?“ Und plötzlich fühlt sich die getroffene Entscheidung, ganz unabhängig ihrer Beweggründe, wie ein Verrat an die Emanzipation an. Denn gerade unter den nach beruflicher Verwirklichung strebenden Millennials gilt das Hausfrauendasein als wenig erfüllend.

Wer hingegen den Anschluss an die Arbeitswelt nicht ganz verlieren will, muss jeden Tag aufs Neue den Spagat aus Teilzeitjob, Kita und Haushalt meistern, um irgendwann zumindest auf gleicher Ebene wieder in Vollzeit einsteigen zu können. Denn in Teilzeit macht man keine Karriere.

Sind die Jobs der Mütter weniger wichtig?

Warum sind es also meist Frauen, die berufliche Nachteile hinnehmen, um sich der Kinderbetreuung zu widmen? Sind die Jobs der Väter so viel wichtiger, so viel unvereinbarer mit Teilzeit? Oder ist es das ökonomische Kalkül, das den Vater wieder in die Rolle des Ernährers und die Mutter in die Rolle der Hausfrau drängt? Fakt ist, dass Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen häufiger mit geringeren Löhnen und schlechteren Aufstiegschancen zu kämpfen haben.

Und auch wenn ich diese genderspezifischen Ungerechtigkeiten keinesfalls kleinreden oder gar verteildigen möchte, frage ich mich, ob die Fürsorglichkeit, die typischerweise Frauen zugedacht wird, als weitere Erklärung für die Hartnäckigkeit der traditionellen Rollenmuster in Frage kommt? Oder ganz platt formuliert: Können wir es einfach besser als die Männer?

Zweifelsfrei traue ich meinem Mann zu, den Wischmopp zu schwingen und die Wäsche zu falten. Ganz konkret denke ich an Situationen, in denen unser Sohn übermüdet oder krank ist und eine sehr starke mütterliche Bindung spürbar wird – und das trotz der acht Monate, die mein Mann als seine primäre Betreuungsperson mit ihm zuhause geblieben ist.

Genderforschung als Killer des modernen Feminismus?

Wenn man sich mit dem Thema Emanzipation beschäftigt, kommt man an den Theorien der Genderforschung nicht vorbei. Grob zusammengefasst, besagen diese, dass Frauen und Männer in vielen Bereichen gleich sind, in anderen aber verschieden. Rein evolutionsbiologisch macht es Sinn, dass die Stärken der Geschlechter unterschiedlich ausgeprägt sind und sich ergänzen. Wenn wir also als Familie in den Urlaub fahren, trägt mein Mann das Gepäck zum Auto und räumt den Kofferraum ein während ich unseren Sohn anziehe und eventuelle Rückfragen mit dem Hotel kläre. Das mag vielleicht sexistisch klingen, ist aber schlau. Denn warum sollten wir uns mit Gewalt gegen die Aufgaben stemmen, die uns evolutionsbiologisch besser liegen?

In diesem Zusammenhang ist auch das sogenannte Gleichstellungsparadoxon interessant. Dabei handelt es sich um die wissenschaftliche Feststellung, dass Länder mit ausgeprägter Gleichberechtigung in Bereichen wie Wissenschaft, Technologie und Ingenieurwesen tendenziell ein geringeres Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern aufweisen. So entscheiden sich Frauen in den auf Gleichheit ausgelegten skandinavischen Ländern, anders als zu erwarten, nicht für die gleichen Berufe wie Männer. Sie werden oft lieber Ärztin, Lehrerin oder Journalistin als Ingenieurin, Chemiker oder Mathematiker.

In unserem Fall würde das erklären, warum mein Mann und ich mit einer traditionelleren Rollenverteilung besser zurechtkommen, obwohl diese nicht unbedingt unseren initialen Vorstellungen einer modernen Familie entsprach. Allerdings lassen sich solche Forschungsergebnisse nicht verallgemeinern und sagen wenig über Individuen und ihre persönlichen Lebenssituationen aus. Vielmehr verdeutlichen sie die Dringlichkeit soziale Tätigkeiten, die eben oft von Frauen ausgeführt werden, aufzuwerten.

Feminismus für ein modernes Familienbild

Die Grundvoraussetzung, um überhaupt eine emanzipatorische Lebensentscheidung treffen zu können, ist die Gleichstellung der Geschlechter. Und genau da setzt der Feminismus an. Als Vehikel, um Müttern mehr Gehör für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Karriere zu verschaffen. Wichtig ist allerdings, dass wir die Männer in ihrer Rolle als Familienväter in die Diskussion einbinden. Denn auch sie sollten ein maßgebliches Interesse an der Betreuungssituation ihrer Kinder und an fairen, flexiblen Arbeitsmodellen für beide Elternteile haben. Schließlich profitieren davon am Ende nicht nur die Mütter, sondern die ganze Familie.  


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